23 Treibstoffablässe von Januar bis Ende November 2018

Brigitte Freihold

Prof. Dr. Bernd Kaina, Toxikologe an der Universitätsmedizin Mainz, erläuterte ausführlich, welche Stoffe im Kerosin enthalten sind und wie sie sich in welcher Menge auf die Gesundheit von Menschen auswirken

Podiumsdiskussion in Pirmasens zum Thema Kerosinablässe

Im Jahr 2001 meldete sich ein Arzt des US-Militärhospitals Landstuhl zum militärischen Treibstoff JP-8 und bedauerte, zu dem Thema nicht selbst etwas beitragen zu können, da er der militärischen Schweigepflicht unterliege. Das Gespräch beendete er mit dem Satz: „Nicht nur ich, sondern etliche meiner Medizinerkollegen warten seit nunmehr über 10 Jahren sehnlichst darauf, dass diese Bombe endlich hochgeht“ (vgl. Wissenschaft & Frieden 2004: JP-8 - Der Treibstoff, der krank macht).

Am vergangenen Mittwoch kamen auf Einladung von Brigitte Freihold, Mitglied des Bezirkstags Pfalz, fachkundige Gäste aus der Medizin, dem Umweltschutz und der Friedensbewegung zu Wort. Prof. Dr. Bernd Kaina, Toxikologe an der Universitätsmedizin Mainz, erläuterte ausführlich, welche Stoffe im Kerosin enthalten sind und wie sie sich in welcher Menge auf die Gesundheit von Menschen auswirken. Schwindel, Benommenheit, Brechreiz und Apathie treten bei leichten Vergiftungen auf, bei schwerer Vergiftung sind es Fieber, Sehstörungen bis hin zur Erblindung und Bewusstlosigkeit. Bekannt sind schon lange Lösungsmittelvergiftungen, die zur Benzol-Leukämie führen können. Die Inhaltsstoffe sind gefährlicher, wenn sie zusammen mit Kerosin-Additiva zur Wirkung kommen. Diese Additiva werden von den Firmen als „Betriebsgeheimnis“ behandelt.

Zu der immer wieder behaupteten Beruhigungspille, beim Ablassen von Kerosin käme unten nichts an, verwies Kaina auf eine US-Studie, wonach das, was unten ankommt, abhängig ist von den Temperaturen. In entsprechender Höhe vereist das Kerosin und verdampft je nach den darunter liegenden Temperaturen bis auf einen Rest von unter 10 Prozent. Liegen die Bodentemperaturen aber unter null Grad, so können bis zu 90 Prozent des abgelassenen Kerosins den Boden erreichen.

Eindringlich wies Dr. Jürgen Ott, Präsident des Naturschutzvereins Pollichia, darauf hin, dass das Ablassen von Kerosin ein Naturschutzproblem ist und Flora, Fauna und Habitat im Biosphärenreservat Pfälzerwald beeinträchtigt. Von Piloten erfuhr er, dass diese angewiesen sind, darauf zu achten, dass im Umkreis von 10 Kilometern und unter ihrem Flugzeug keine anderen Flugzeuge in der Luft sein dürfen, da sich andernfalls das abgelassene Kerosin entzünden könnte. Zudem lässt der in der Pfalz vorherrschende poröse Buntsandstein die abgelassenen Giftstoffe ins Gestein und somit ins Grundwasser gelangen.

Achim Müller von der Pfälzer Friedensinitiative „Entrüstet Euch!“, die sich auch mit den Umweltbelastungen durch das Militär beschäftigt, erinnerte daran, dass auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein voraussichtlich ab 2024 12 bis 15 KC-135 Tank- und Transportflugzeuge stationiert werden. Nach Aussage von Brigadegeneral Mark August bedeutet dies eine Ausweitung des militärischen Auftrags der Air Base. Bei allen militärischen Konflikten der USA seit den späten 1960er Jahren spielte dieses Modell eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung der Kampfflugzeuge, Bomber und Aufklärer, deren Einsatzradius sich durch die Luftbetankung erheblich vergrößerte. Die Luftbetankung kann von Piloten nur in der Luft geübt werden, wobei immer auch Verluste entstehen, die die Umwelt belasten.

Müller verwies auch auf die häufigen Treibstoffablässe durch die zivile Luftfahrt über der Pfalz. Die bundesweiten zivilen und militärischen Ablässe werden dem Luftfahrtbundesamt gemeldet und von diesem in einem Zeitraum von bis zu drei Tagen veröffentlicht. Das Ablassen des Flugbenzins ist eine ökonomische Entscheidung. Piloten können auch mit vollem Tank landen. Dann ist jedoch ein höherer Wartungsaufwand erforderlich, der einen raschen Weiterbetrieb des Flugzeugs verhindern könnte.

Freihold wies auf die 23 Treibstoffablässe von Januar bis Ende November 2018 über Deutschland hin, darunter allein sieben über der Pfalz, davon zwei militärische sowie ein ziviles Flugzeug mit einer Rekordmenge von 92 Tonnen Kerosin. Das entspricht mehr als 2.000 Badewannenfüllungen mit je 50 Litern. Freihold schloss sich der Forderung von Professor Kaina an, alle Treibstoffablässe umgehend zu melden und zu veröffentlichen sowie meteorologischer Daten zu berücksichtigen, damit an den richtigen Stellen gemessen werden kann. Zudem ist die Forschung zu Auswirkungen durch Kerosinablass zu intensivieren.

Brigitte Freihold, DIE LINKE im Bezirkstag Pfalz